PNP 23.05.2020


In der Luft hängen?

Serie "Predigtgedanken": Heute von Marco Stangl, Kaplan im Pfarrverband Zwiesel-Ludwigsthal

Marco Stangl ist Kaplan im Pfarrverband Zwiesel-Ludwigsthal.

Der vergangene Donnerstag war ein kirchlicher und staatlicher Feiertag. Aus kirchlicher Sicht ist es aber oft wie im Witz: Viele fahren nicht mit. Obwohl Christi Himmelfahrt ein biblisches Fest ist, wird es vor allem außerhalb des Gottesdienstes gefeiert, als Vatertag. Vatertagswandern, Familienausflüge und dergleichen standen zumindest in den Vor-Corona-Jahren hoch im Kurs. Und doch ist es wichtig und gerade in dieser Zeit der Ungewissheit und der Sorge auch nützlich, den Feiertag Christi Himmelfahrt von der Bibel her zu verstehen.

Denn mit der Himmelfahrt Jesu sind seine Freundinnen und Freunde in eine ganz "bemerkenswerte" Zeit eingetreten. Bemerkenswert, weil sie durch die Himmelfahrt jetzt ohne Jesus leben müssen. Jesus ist ihnen ent-zogen. Und bemerkenswert, weil auch Pfingsten noch auf sich warten lässt. Der Heilige Geist, der versprochene Beistand, ist ihnen noch nicht gegeben.

Mit der Beschreibung dieser Situation setzt die heutige Lesung aus der Apostelgeschichte ein: "Als Jesus in den Himmel aufgenommen war…" Jesus ist schon weg, ent-zogen, der Heilige Geist noch nicht da. Die Jüngerinnen und Jünger Jesu hängen sozusagen in der Luft. Ich finde das ein treffendes Bild für das Leben eines Glaubenden: Jesus ist nicht greifbar – das ist Tatsache. So geht und ging es allen Christen, die NACH Jesus leben und lebten. Aber manchmal gibt es zudem Zeiten, in denen wir nicht einmal seinen Geist in unserem Herzen spüren.

Die Corona-Pandemie hat das Leben vieler Menschen zu einem Leben "zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten" gemacht: Sie hängen wie die Jüngerinnen und Jünger damals in der Luft. Auch wenn im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben vieles schon wieder möglich ist: einiges geht nach wie vor nicht und Menschen haben mit den Nachwirkungen zu kämpfen. Sie sind in ihrer finanziellen Existenz bedroht: Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit... Hinzu kommen familiäre Spannungen, schulische Herausforderungen, und, und, und.

Damals wie heute hängen Menschen in der Luft: religiös wie in vielen anderen Bereichen. Schauen wir in die Apostelgeschichte. Was tun die Jüngerinnen und Jünger in dieser in dieser Lage? "Sie kehrten […] nach Jerusalem zurück. Als sie in die Stadt kamen, gingen sie in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben." (Apg 1,12f) Sie gehen also nach Jerusalem. Dorthin, wo Jesus seine Botschaft auf den Punkt gebracht hat. Und sie halten sich in einem Obergemach auf. Dieses Obergemach ist der Raum des Letzten Abendmahls (vgl. Lk 22,12). Sie gehen also dorthin, wo sie die Liebe Jesu besonders erfahren haben. Dort haben sie ja auch mit Blick auf Brot und Wein das Versprechen seiner bleibenden Nähe und Gegenwart bekommen. Wenn wir in der Luft hängen, kann es vielleicht auch uns helfen, innerlich nach Jerusalem zu gehen. Also in Gedanken dorthin zu gehen, wo wir Gottes Nähe, seine Liebe, seinen Segen erfahren haben. Wo habe ich mich von Gott getragen gefühlt? Wann hat Freude mein Herz erfüllt? Wann gab es Halt in aller Ungewissheit? Zuversicht in aller Sorge? Die Jüngerinnen und Jünger gehen nach Jerusalem. Wir können uns anschließen und in unserer Erinnerung auch dorthin gehen, wo es Gott und das Leben gut mit uns meinte.

Damals wie heute hängen Menschen in der Luft: religiös wie in vielen anderen Bereichen. In der Apostelgeschichte heißt es weiter: "Petrus und Johannes, Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Simon, der Zelot, sowie Judas, der Sohn des Jakobus. Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern." (Apg 1,13f) Die Jüngerinnen und Jünger suchen also Gemeinschaft. Gemeinschaft ist unentbehrlich für unser Leben, vor allem für das Leben als Christgläubige. In den letzten Wochen haben wir das noch mehr als sonst gemerkt: Gemeinschaft tut gut. Gemeinschaft stärkt, stützt und begleitet. Davon zeugten auch die freundlichen, einander suchenden Blicke der Gläubigen, als sie sich nach Wochen endlich wieder im Gottesdienst sehen konnten.

Indem die Namen der elf Apostel (ohne Judas) aufgezählt werden, wird klar: Kirche das sind bunte, unterschiedliche, sich gegenseitig ergänzende und herausfordernde Menschen. Menschen, die miteinander (und auf unterschiedlichen Wegen) nach Gott suchen. Ganz selbstverständlich erzählt die Apostelgeschichte, dass die Anhängerschaft Jesu nicht nur aus Männern, sondern ganz wesentlich auch aus Frauen besteht.

Die Jüngerinnen und Jünger hängen in der Luft und stärken sich, indem sie Gemeinschaft schenken und empfangen. Diese Gemeinschaft ist bunt, hat aber einen alle verbindenden Kern: das Gebet.

Die Jüngerinnen und Jünger hängen in der Luft. Aber indem sie nach Jerusalem gehen, an den Ort der segenbringenden Erinnerungen; indem sie Gemeinschaft suchen; indem sie beten, werden sie bereit, kurze Zeit später den Heiligen Geist zu empfangen. Das Johannesevangelium bezeichnet den Heiligen Geist als "Paraklet". Das kann man mit "Tröster" oder "Beistand" übersetzen.

Der morgige Sonntag, die jetzige Zeit, hängt – wie die Jünger und wir – in der Luft. Himmelfahrt war schon, Pfingsten ist noch nicht. Vielleicht kann uns das Vorbild der Jüngerinnen und Jünger helfen, den Tröster und Beistand, den Heiligen Geist in unserem Herzen zu spüren. Vielleicht kann es uns helfen, wenn wir innerlich an die Orte und Zeiten zurückgehen, die Licht und Segen brachten. Vielleicht hilft es uns, Gemeinschaft zu suchen und zu schenken – im Gottesdienst oder auch am Telefon.

Und vielleicht kann uns auch das Gebet als Gespräch mit dem "Freund Gott" helfen, dass wir nicht mehr in der Luft hängen zwischen Hoffen und Bangen, zwischen Zuversicht und Angst. Vielleicht können wir Gott so in unserem Inneren als Tröster und Beistand erfahren. Ich wünsche es uns von Herzen! Bleiben Sie gesund und seien Sie gesegnet!

Kaplan Marco Stangl